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Sonntag, 18.12.2022

Eine Geschichte zum 4. Advent

Aus einsam wird dreisam.

 

Es war in der Adventszeit und es ging mit großen Schritten auf das Weihnachtsfest zu. Viele der Bewohnerinnen und Bewohner auf den Wohnbereichen bekamen zu dieser Zeit vermehrt Besuch von Ihren Angehörigen, Ehepartnern, Kindern, Enkelkindern, Freunden und ehemaligen Nachbarn…

...nur Frau H. blieb wie immer alleine.

Frau H. war durch ihre freundliche und zugewandte Art sehr beliebt bei den Kollegen. Alle freuten sich, wenn sie für die Versorgung bei ihr eingeteilt waren.

Sie war im Sommer zu uns ins Pflegeheim gezogen, nachdem ihr Mann verstorben war.   

Es war somit ihr erstes Weihnachtsfest ohne Ihn, ohne den Hund, den sie, als sie einzog, schweren Herzens in ein Tierheim geben musste. Das erste Weihnachtsfest, dass Sie nicht in Ihrer Wohnung, in der sie mit ihrem Mann 50 Jahre lang gelebt hatte, verbringen würde. 

Sie war immer eine aktive Frau gewesen, die gerne unter Menschen gegangen war und viele soziale Kontakte hatte. Nach und nach waren diese Menschen, die sie bislang durch ihr Leben begleitet hatten, verstorben. Sie war die einzige, die noch „übriggeblieben“ war, wie sie immer sagte.

Nun fühlte sie sich sehr einsam und alleine, obwohl sich, wie sie immer betonte, doch alle Pflegekräfte so liebevoll um sie kümmern würden.

Im Heim viel es ihr schwer, neue Kontakte zu knüpfen. Die Beine wollten nicht mehr so recht und das Hören und Sehen fiel ihr immer schwerer. Oft sagte sie dem Pflegepersonal, dass sie keine Last sein wolle und wirkte sehr bedrückt darüber, dass sie stetig mehr fremde Hilfe in Anspruch nehmen musste.

Als ich sie an einem Nachmittag mit dem Rollstuhl zu einem kleinen Spaziergang überredet hatte, berichtete Sie mir aus ihrem Leben mit Ihrem Mann und „Bernie“ ihrem Mischlingshund. In dem Gespräch unterhielten wir uns auch über das Tierheim, in das sie „Bernie“ vor ihrem Einzug ins Pflegeheim abgegeben hatte. Nach Rücksprache mit den Kollegen auf dem Wohnbereich setzte ich mich einige Tage später mit dem Tierheim in Verbindung. Zu meinem Erstaunen wurde mir von der freundlichen Mitarbeiterin mitgeteilt, dass sie sich noch sehr gut daran erinnern könne als der Hund im Sommer von der alten Dame abgegeben wurde. Sie berichtete mir, dass es Bernie gut gehe und er sogar einmal in der Woche von einer jungen Frau zu einem Spaziergang abgeholt werde. Ich hinterließ in diesem Gespräch meine Telefonnummer mit der Bitte, ob diese junge Dame mich einmal anrufen könne.

Einige Tage später klingelte tatsächlich mein Telefon und die junge Frau, die sich um Bernie kümmerte war in der Leitung. Wir unterhielten uns einige Zeit und sie machte den Vorschlag, einfach mal mit dem Hund im Heim vorbeizukommen. Es war der 15. Dezember, ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen, als Sie dann mit Bernie vor der Tür stand.
Selten habe ich unter Tränen so viel Freude und Zufriedenheit gesehen, wie in diesem Moment bei Frau H.
Ihre Augen leuchteten und funkelten und sie war so gerührt, dass sie keine Worte für das Glück finden konnte, dass sie empfand.

Sowohl das gesamte Team, die junge Dame als auch Frau H. und Bernie selbst waren von dieser Situation so überwältigt, dass die Gefühle nur so überzusprudeln schienen.

Eine ganz seltsame Stimmung machte sich breit, als die Zeit gekommen war, dass Bernie zurück ins Tierheim gebracht werden musste. Dieses Mal war es aber kein Abschied für immer.
Zweimal im Monat kam „mein Herz“, wie Frau H. die junge Frau von nun an nannte, mit Bernie zu Besuch und es entwickelte sich, ja ich möchte es tatsächlich „eine Freundschaft“ der beiden Frauen nennen.

Diese Geschichte erinnert mich in der Vorweihnachtszeit immer wieder daran, dass durch kleine Dinge und Handlungen Großes entstehen kann. Sie zeigt, wie schnell aus einander völlig fremden Menschen, zweier völlig unterschiedlicher Generationen, Freundschaft erwachsen kann.

…und Sie zeigt, dass jeder Mensch eine Chance hat, sich nicht mehr einsam zu fühlen…